Die Robotik Challenge 2025 erstreckte sich über einen Zeitraum von rund fünf Monaten. Nach dem Versand der Hardwarepakete Ende Oktober 2024 arbeiteten die Teams intensiv an ihren Konzepten zur Automatisierung eines Leitungssatzmoduls. Bis zum 28. Februar 2025 konnten die finalen Lösungen eingereicht werden. Anschließend fand im März die Bewertungsphase mit Präsentationen vor einer Fachjury statt.
Die Ergebnisse wurden erstmals öffentlich im Rahmen des Innovationsforums Leitungssatz am 9. April 2025 in der ARENA2036 in Stuttgart vorgestellt. Von ursprünglich acht gestarteten Teams zogen fünf in die finale Bewertungsrunde ein: Agile Robots, das ISW der Universität Stuttgart, der Lehrstuhl FAPS der FAU Erlangen-Nürnberg, Leverage Robotics sowie das CERI der Technischen Hochschule Würzburg-Schweinfurt.
Die eingereichten Konzepte decken ein breites Spektrum ab – von intelligenter Bauteilhandhabung über multifunktionale Endeffektoren bis hin zu digitalen Optimierungsmöglichkeiten im Montageprozess. Sie zeigen eindrucksvoll, wie sich mit innovativen Ideen und technologischem Know-how neue Wege in der Leitungssatzmontage eröffnen lassen.
Zwei Teams wurden im Rahmen des Innovationsforums mit Awards ausgezeichnet:
Auch die weiteren teilnehmenden Teams – Leverage Robotics GmbH, ISW Universität Stuttgart und das CERI der THWS – beeindruckten mit innovativen Konzepten und praxisnahen Ansätzen.
Viele der präsentierten Technologien sind nicht nur als Ideen gedacht, sondern bereits so weit ausgereift, dass sie in reale Industrieprozesse überführt werden können. Die Robotik Challenge leistet damit einen wichtigen Beitrag zum Wissenstransfer und zur beschleunigten Umsetzung von Automatisierungslösungen in der Leitungssatzproduktion.
Nachfolgend stellen wir die Beiträge der fünf Finalisten im Detail vor. Neben einer kurzen Beschreibung der jeweiligen Lösung finden Sie hier auch die Ergebnisvideos.
Agile Robots SE ist ein führender Anbieter von Automatisierungslösungen der nächsten Generation. Durch die Kombination von künstlicher Intelligenz und Robotik macht das Unternehmen Industrien intelligenter, flexibler und effizienter. Agile Robots wurde 2018 von renommierten Robotik-Forscherinnen und -forschern des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) in München gegründet und wächst weltweit rasant. Aktuell arbeiten mehr als 2.300 hochqualifizierte Roboter- und KI-Enthusiasten an Standorten in Deutschland, China und Indien. Das Unternehmen beschäftigt eines der größten Forschungs- und Entwicklungsteams in der KI- und Robotikbranche. Agile Robots verfügt über ein einzigartiges Portfolio. Gemeinsam mit den Tochterunternehmen Franka Robotics, BÄR Automation und audEERING sowie durch idealworks, einem Joint Venture mit BMW, deckt das Unternehmen sämtliche Bereiche der KI-gesteuerten Robotik ab.
Lösung / Demonstrator
Der vorgestellte Roboter-Demonstrator zeigt, wie komplexe Prozesse in der Leitungssatzmontage automatisiert werden können. Kern des Systems ist ein generisches Setup mit zwei Agile Robots Diana7 Robotern, ausgestattet mit Parallelgreifern, 2D-Kameras und Kraft-Momenten-Sensoren. Die zentrale Steuerung über AgileCore ermöglicht die synchrone Koordination der Roboter sowie die Anbindung externer Geräte. Besonders hervorzuheben ist der Einsatz KI-basierter Algorithmen zur präzisen Ausrichtung von Crimps. Gemeinsam mit der Sensorik gelingt eine kraftgeregelte und zuverlässige Steckerbestückung – ein bisher schwer automatisierbarer Prozess. Durch ein AGV (Automated Guided Vehicle) ist das Setup flexibel in bestehende Produktionslinien integrierbar. Die modulare Architektur erlaubt eine einfache Anpassung und Skalierung auf industrielle Anwendungen.
Fazit
Im Rahmen der Challenge wurden erweiterbare Skills für die Leitungssatzautomatisierung entwickelt, etwa zur Tischeinmessung, Leitungszuführung oder Einstecken von Crimpkontakten in Steckersystemen. Diese Skills sind über AgileCore reproduzierbar ausführbar und vielseitig einsetzbar.
Weitere Informationen zu Agile Robots SE erfahren Sie unter: www.agile-robots.com
Der Lehrstuhl für Fertigungsautomatisierung und Produktionssystematik (FAPS) der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg beschäftigt sich mit interdisziplinärer Forschung an innovativen Fertigungsverfahren. An den Standorten in Erlangen und Nürnberg arbeiten rund 100 wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus den Bereichen Maschinenbau, Elektrotechnik und Informatik. Die Forschungsschwerpunkte umfassen innovative Robotik- und Automatisierungslösungen, neuartige Montagetechnologien elektrischer Energiespeicher, fortschrittliche Verfahren in der Elektronik- und Elektromaschinenproduktion, Technologien für elektrifizierte Straßen sowie Digitalisierungs- und Automatisierungslösungen für die Signal- und Leistungsvernetzung. Eine moderne Maschinen- und Anlagentechnik auf etwa 2.500 m² ermöglicht die Erforschung, sowie die effiziente Umsetzung und Prüfung neuer Fertigungsverfahren für mechatronische Komponenten und Systeme
Lösung / Demonstrator
Der Demonstrator des Lehrstuhls FAPS zeigt ein robotergestütztes System zur automatisierten Leitungssatzmontage, das alle Prozessschritte ohne Werkzeugwechsel ausführt. Leitungen werden über eine Linearachse bereitgestellt, mit Hilfe eines Laser-Linienscanners vermessen und lagerichtig in Stecksysteme gesteckt. Dabei wird gezielt auf die Herausforderungen biegeschlaffer Leitungen mit kleinen Querschnitten (bis zu 0,13 mm²) eingegangen. Formgebende Gatter zum Ablegen der Leitungen verleihen dem Leitungssatz seine Geometrie. Weitere Funktionen wie das Schließen der Sekundärverrastung, das Umsetzen von Steckern und das Anbringen von Kabelbindern erfolgen ebenfalls automatisiert. Ergänzt wird der Demonstrator durch ein Anbindungskonzept für bestehende Konfektioniermaschinen sowie durch einen digitalen Konfigurator für neue Leitungssätze.
Fazit
Der Demonstrator zeigt, wie sich moderne Automatisierungstechnologien wirtschaftlich in Montageprozesse integrieren lassen. Die am FAPS entwickelten Lösungen richten sich insbesondere an die Automobilindustrie und ermöglichen eine nachhaltige Umsetzung komplexer mechatronischer Systeme.
Weitere Informationen zum Lehrstuhl FAPS finden Sie unter. www.faps.fau.de
Das Institut für Steuerungstechnik der Werkzeugmaschinen und Fertigungseinrichtungen (ISW) der Universität Stuttgart zählt international zu den führenden universitären Forschungsinstituten im Bereich der Steuerungstechnik. Das ISW forscht dabei interdisziplinär an Technologien für die Produktion und Automatisierung von übermorgen. Dabei liegt der Leitgedanke in der Entwicklung und in der Anwendung steuerungstechnischer und weiterer computergestützter Systeme zur Lösung von Automatisierungsaufgaben. Die Forschung gliedert sich in sechs Forschungsschwerpunkte: Antriebssysteme und -regelung, Mechatronische Systeme und Prozesse, Virtuelle Produktion, Kommunikationstechnik, Engineering sowie Steuerungstechnik. Für die Industrie ist das ISW seit über 50 Jahren innovativer und verlässlicher Partner für anspruchsvolle Herausforderungen von der ersten Idee bis hin zum Produkt.
Lösung / Demonstrator
Im Rahmen der Robotik Challenge entwickelte das ISW eine KI-gestützte Methode zur Manipulation deformierbarer linearer Objekte. Auf Basis synthetischer Trainingsdaten aus der Simulationsumgebung MuJoCo wurde ein neuronales Netzwerk trainiert, das das Deformationsverhalten eines Kabels erlernt. Als Dynamikmodell kommt ein bidirektionales LSTM-Netzwerk zum Einsatz. Die zielgerichtete Formveränderung des Kabels erfolgt über einen Model-Predictive-Path-Integral (MPPI) Regler, der aus stochastisch generierten Robotertrajektorien die optimale Bewegung extrahiert. Die Methode wurde sowohl in Simulation als auch mit einem Franka Emika Panda Roboter praktisch validiert. Die aktuelle Kabelgeometrie wird über eine Tiefenkamera erfasst.
Fazit
Die vorgestellte Lösung ermöglicht eine ML-basierte Formgebung von Kabeln, etwa zur Platzierung in Kabelaufnahmen. Die virtuelle Simulation bietet zudem Potenzial für die Prozessplanung und Belastungsanalyse. Ein zukünftiger Technologietransfer in die Industrie ist geplant.
Weitere Informationen zum ISW erfahren Sie unter: www.isw.uni-stuttgart.de
Leverage Robotics ist ein Spin-off des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR). Das Unternehmen ging aus dem Forschungsthema Factory of the Future hervor und beschäftigt sich mit der Entwicklung von flexiblen Automatisierungslösungen für die Produktion der Zukunft. Im Fokus stehen hochflexible, intelligente Plug & Produce-Roboterzellen, die durch kurze Rüstzeiten in Multitasking-Anwendungen eine effizientere Produktionsweise ermöglichen.
Die speziell entwickelte Roboterwerkzeug-Technologie erlaubt die Umsetzung komplexer Aufgaben in Bereichen wie Logistik, Montage, Qualitätssicherung sowie insbesondere bei der Maschinenbeladung und Start-of-Line-Anwendungen. Ergänzt wird das Lösungsportfolio durch eine Multi-Roboter-Programmiersoftware mit integriertem KI-Programmierassistenten, die auch ohne Programmierkenntnisse eine einfache Implementierung komplexer Applikationen ermöglicht. Ziel ist die Unterstützung regionaler, flexibler Produktionsansätze mit kurzen Lieferwegen.
Demonstrator
Im Rahmen der Challenge präsentierte Leverage Robotics den FactoryCube in Kombination mit der Softwarelösung RoboHive als Demonstrator zur Automatisierung von Aufgaben im Bereich der Kabelhandhabung und Steckverbinder-Montage.
Der FactoryCube ist ein modulares, skalierbares System, das verschiedene Automatisierungsaufgaben in einer kompakten Einheit vereint. Die Lösung ist darauf ausgelegt, flexibel auf wechselnde Produktionsanforderungen reagieren zu können, insbesondere bei empfindlichen Komponenten wie Kabeln und Steckverbindern.
RoboHive erweitert den FactoryCube um eine Softwareplattform mit zeitbasierter, grafischer Programmierung über ein Drag-and-Drop-Interface. Diese erlaubt eine visuelle Planung von Roboteraktionen hinsichtlich Dauer und Abschlusszeitpunkt, um Kollisionen zu vermeiden und reibungslose Arbeitsabläufe zu gewährleisten. Zudem nutzt die Software Large Language Models, um natürliche Spracheingaben in Roboterprogramme zu übersetzen – auch für Anwender ohne tiefgreifende technische Kenntnisse.
Gemeinsam bieten FactoryCube und RoboHive eine flexible und leistungsstarke Lösung für Automatisierungsaufgaben in der Kabelverarbeitung, die sich durch einfache Bedienbarkeit und Anpassungsfähigkeit auszeichnet.
Fazit
FactoryCube und RoboHive zeigen eindrucksvoll, wie moderne Robotiklösungen Produktionsprozesse vereinfachen und gleichzeitig adaptiv gestalten können. Leverage Robotics bietet interessierten Partnern aus der Kabelverarbeitungsbranche praxistaugliche innovative Roboterlösungen für die Fabrik der Zukunft an.
Weitere Informationen zu Leverage Robotics erfahren Sie unter: www.leverage-robotics.com
Das Center für Robotik (CERI) der Technischen Hochschule Würzburg-Schweinfurt vereint Lehre und anwendungsorientierte Forschung im Bereich intelligenter Robotik. In interdisziplinären Projekten arbeiten neun Robotik-Professor:innen, unterstützt von Labormitarbeitenden, Doktorand:innen sowie Master- und Bachelorstudierenden, an innovativen Lösungen für die Produktionsautomatisierung. Ein besonderer Fokus liegt auf kollaborativen Industrierobotern, KI-gestützter Bildverarbeitung und intelligentem Werkzeughandling. Durch enge Kooperation mit der Industrie ermöglicht das CERI einen schnellen Technologietransfer und ist zugleich Ausgangspunkt für neue Unternehmensgründungen.
Lösung / Demonstrator
Der entwickelte Demonstrator zeigt ein vollständig automatisiertes System zur Kabeleinführung in der Leitungssatzmontage. Mithilfe eines Deep-Learning-Algorithmus zur Schlüsselpunkterkennung wird die exakte Ausrichtung des Kabels in Echtzeit analysiert. Ein Vibrationsmotor unterstützt die präzise Einführung in den Stecker und trägt zur signifikanten Reduktion der Zykluszeit bei. Ergänzend kommen Kraft- und Drehmomentsensoren zum Einsatz, um Rückmeldung zum Montageerfolg zu geben und die Bewegungsstrategie des Roboters adaptiv anzupassen.
Ein weiteres Highlight ist der automatisierte Werkzeugwechsel: Nach der Kabeleinführung tauscht der Roboter seinen Greifer gegen eine Clip-Gun und kann somit den gesamten Montageprozess autonom ausführen – ohne menschliches Zutun oder manuelle Umrüstung.
Fazit
Das System demonstriert eindrucksvoll, wie sich KI-basierte Bildverarbeitung und intelligentes Robotik-Handling zu einer flexiblen, adaptiven Lösung für die Kabelbaummontage kombinieren lassen. Die entwickelten Technologien leisten einen wichtigen Beitrag zur Automatisierung bisher manuell geprägter Prozesse und bieten großes Potenzial für die industrielle Anwendung.
Weitere Informationen zum CERI der THWS erfahren Sie unter: www.robotic.thws.de